Cosmopolitan, Printausgabe 08/2020, erschienen Mitte Juli 2020

Zufriedenheit vor Karriere stellen

Ihr Top-Job in der Werbung raubte ihr alle Energie, daher zog Karen Isernhagen ein eigenes DIY-Business auf

Zufriedenheit vor Karriere stellen

Ihr Top-Job in der Werbung raubte ihr alle energie, daher zog Karen Isernhagen ein eigenes DIY-Business auf

Man fällt nicht wirklich tief, wenn man ganz von vorne anfängt, sondern nur, wenn man in einer Situation verharrt, die einem nicht guttut. Viele Jahre lang arbeitete ich als Teamleiterin in der Werbebranche. Um die Karriereleiter möglichst fix nach oben zu klettern, bin ich gerannt und gerannt, bis meine Batterie komplett leer war. Als es nicht mehr ging, nahm ich mir eine Auszeit … Und adoptierte einen Hund. Kalli veränderte nicht nur meinen Alltag mit den vielen Spaziergängen zum Abschalten, sondern ebnete auch meinen neuen beruflichen Weg. Weil ich kein schönes Bett für ihn finden konnte, nähte ich einfach selbst eines. Zuerst nur für mich selbst, dann kamen immer mehr Bestellungen von Freunden und Bekannten hinzu und summierten sich zur Geschäftsidee.

Seit Ende 2019 verkaufe ich meine Hundeschlafsäcke unter meiner Marke Plüschbüddel by Isefee. Sicherlich verdiene ich heute deutlich weniger als in meinem früheren Top-Job, und Corona verstärkt die Engpässe noch einmal. Trotzdem möchte ich nie wieder mit dem gut bezahlten Hamsterrad tauschen. Was nützen Geld, Prestige und Macht, wenn man sich emotional und körperlich zugrunde richtet und das private Glück auf der Strecke bleibt? Zu viele Jahre beschnitt ich meine Persönlichkeit, um im Job zu brillieren. Ich bin eigentlich eine kreative Künstlerin und musste vor den Kunden die strukturierte Beraterinmimen. Das möchte ich mir nie wieder zumuten. Nach der ganzen Fremdbestimmung genieße ich es endlich wieder, etwas eigenes mit meinen Händen zu erschaffen.

Mein Rat an alle, die gründen wollen oder sich selbstständig machen: Existenzielle Sorgen sind ganz normal und treffen jeden, der den Schritt in die berufliche Freiheit wagt. Man darf nur nicht in Panik verfallen. Wichtig ist, sich daran zu erinnern, dass man nicht alleine ist. Man bekommt immer Hilfe, wenn man danach fragt. Egal ob es die Bank ist, die den Dispo erhöht, wenn es finanziell mal wirklich eng wird, der Staat, der einen Gründerzuschuss gewährt, oder Freunde, die ihre Schulter anbieten.

Einfach Schritt für Schritt alles angehen und weitermachen.

Foto: Sandra Schink, erschienen in der Cosmopolitan, Printausgabe 08/2020, erschienen Mitte Juli 2020